Mit dem Wegbrechen des osteuropäischen Marktes, dem Wirken der Treuhand, der Fokussierung auf eine schnelle Privatisierung geschah ein beispielloser Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft, der innerhalb von 5 Jahren bis zu 4 Millionen Arbeitslose in den neuen Bundesländern nach sich zog. Das Schicksal der Traditions- und Weltfirma Carl Zeiss Jena – mit zum Ende der DDR 30.000 Beschäftigten – blieb zehn Jahre lang ungeklärt. Mehr als 17.000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz.
In Jena wie in allen Städten der neuen Bundesländer sind diese Um-, Auf- und Abbrüche der Wendezeit unmittelbar mit dem Schicksal der Menschen und ihrer Familien verbunden. Für das eigene Selbstverständnis, für die eigene Identität, ist es wichtig, seine Familiengeschichte zu kennen, also die Geschichte der Eltern und Großeltern. »Zukunftssorgen, sozialer Abstieg und Verlust von Wertschätzung« seien als »private Probleme abgetan worden«, so Katrin Rohnstock. »Doch sie bleiben nicht ohne Folgen, auch für die nächsten Generationen! Denn Einstellungen, die aus den gemachten Erfahrungen resultieren, werden an Nachgeborene weitergegeben.«
Schülerinnen und Schüler befragen ihre Eltern und Großeltern, wie sie die Jahre nach 1990 erlebten. Das mehrmonatige Erzählprojekt umfasst u.a. die methodische Einführung ins biografische Erzählen und Zuhören im Familienkreis, Zeitzeugen-Vorträge, den Besuch der Filmvorführung im Schillerhofkino »Es war da eine Zeit«, den Besuch der Wanderausstellung »Schicksal Treuhand – Treuhandschicksale« in Apolda sowie den Besuch des Theaterstücks »Treuhandkriegspanorama« im Deutschen Nationaltheater in Weimar. Zum Abschluss des Projekts werden dessen Ergebnisse im Rahmen eines Erzählsalons präsentiert, in dem die Schüler, Eltern und Großeltern erzählen, was ihnen das Projekt gebracht hat, wie sie die eigene Geschichte in der Familie aufgearbeitet haben.