Das mündliche Erzählen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Es bereitet uns Freude, wenn es erfüllt wird. Durch Erzählen verarbeiten wir Menschen unsere Erlebnisse. Doch fehlen dafür heute oft Gelegenheit, Raum und Rituale. Diese bietet der Erzählsalon.
In einem geschützten Raum sitzen Menschen beieinander und erzählen einander Geschichten aus ihrem (Arbeits-) Leben – moderiert von einer bei Rohnstock Biografien ausgebildeten Salonnière oder einem Salonnier. Das jeweilige Thema ist im Voraus bekannt. Alle Teilnehmer können sich gedanklich darauf einstimmen, brauchen sich jedoch nicht aufwendig vorzubereiten.
Einige Erzählsalon-Formate
Spannende Geschichten gehören zum Unternehmertum wie Zahlen und Management. Sie transportieren und stiften Identität. Nur wer seine Geschichte und die seines Produktes so erzählt, dass andere sich wiederfinden, überzeugt.
Nicht selten müssen wir gerade in der Wirtschaftswelt Berichte, Referate, Statements und aneinandergereihte Fakten über uns ergehen lassen. In den Wirtschafts-Erzählsalons wurden deshalb Unternehmerinnen und Unternehmer eingeladen, Ihre Geschichten zu erzählen – zu Schlüsselfragen der Unternehmensentwicklung.
Auf Grundlage der über dreißig Unternehmer- und Firmengeschichten, die Rohnstock Biografien seit 1998 aufgeschrieben hat, haben sich bei der Planung dieser Veranstaltungsreihe eine Handvoll Themen herauskristallisiert, die jeden Unternehmer im Laufe seines Lebens beschäftigen – die »fünf Prüfungen des Unternehmers«.
Diese Prüfungen finden sich wieder in dem aus dieser Erzählsalon-Reihe entstandenen Büchlein »Der Wirtschafts-Erzählsalon – Fünf Prüfungen des Unternehmers«, herausgegeben von Rohnstock Biografien und der Berlin Partner GmbH.
Ich bin hocherfreut zu sehen, dass es in der Praxis so kluge Ansätze gibt, die unseres Erachtens aus der wissenschaftlichen Perspektive notwendig wären, um Identitätskonstruktionen von unten zu fördern.
Junge und Alte können voneinander profitieren. Die Jungen brauchen die Erfahrungen der Alten – die Alten brauchen Zuhörer. Um diesen natürlichen Austausch zwischen den Generationen anzuregen, initiierte der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) gemeinsam mit Rohnstock Biografien den Erzählsalon »Alt und Jung«. Hier erzählten Menschen zwischen zwölf und 86 Jahren einander ihre Geschichten. Weil die Alten so frisch und frei erzählten, verloren auch die Jugendlichen ihre anfänglichen Hemmungen.
Aus dem Material entstand das Buch »Lebenswege. Geraden, Kreuzungen, Umwege«, geschrieben von Rohnstock Biografien für den Humanistischen Verband Deutschlands, der dieses den Heranwachsenden zur Jugendfeier mit auf den Lebensweg gibt.
Auch bei den anderen beiden Zeitzeugen gehen die Ziele des Erzählsalons voll auf. Zum einen sollen bisher unbeachtete Objekte des Museumsdepots der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, zum anderen sollen die lebendigen Geschichten der Berliner ins Museum geholt und vor allem auch erzählt werden.
Die Idee dieses Erzählsalon-Formats: Experten des Stadtmuseums Berlin zeigten im Märkischen Museum Objekte aus den umfangreichen Sammlungen, die normalerweise in keiner Ausstellung zu sehen sind. Im Erzähl-Salon rücken sie in den Mittelpunkt, werden quasi zu stellvertretenden Geschichtsträgern. Den Auftakt macht eine Lederaktentasche – ein Accessoire, ohne das die wenigsten Werktätigen in den 1930er- Jahren morgens das Haus verließen. Im Laufe des Erzähl-Salons werden weitere Gegenstände präsentiert, die bei den Betrachtern spontane Assoziationen erzeugen sollen.
Die Veranstaltungs-Reihe hatte zwei Ziele: Bisher unbeachtete Schätze des Museumsdepots der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die lebendigen Geschichten der Berlinerinnen und Berliner ins Museum zu holen.
Die beiden Preisträgerinnen Friedrich und Rohnstock begegnen solchen Asymmetrien auf ganz unterschiedliche Weise. Während Rohnstock in ihrem Berliner Ost-West-Salon Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten zusammenbringt und eine Buchreihe mit biografischen Erzählbänden herausgibt, vermittelt Friedrich die deutsch-deutsche Geschichte im Sinsheimer Freiheitsmuseum.
Jeweils zwei Persönlichkeiten mit ähnlichen Berufsbiografien –eine aus Ost-, eine aus West-Berlin – erinnern sich an das Leben in der einst geteilten Stadt. Sie vermitteln Wissen und Hintergründe, die oft unbekannt sind, und ebnen so Wege der Verständigung. Der vom Kulturhistoriker Prof. Dietrich Mühlberg moderierte Salon wurde 2010 mit dem »Frauenbrücke-Preis für die innere Einheit in Deutschland« ausgezeichnet.
Die erfolgreiche gemeinsame Erzählsalon-Reihe »Ding sucht Geschichte«, die 2013 in Räumlichkeiten des Märkischen Museums stattfand, gab dem Stadtmuseum Berlin den Impuls zu einer weiteren Kooperation mit Rohnstock Biografien: Anlässlich der Ausstellung »West-Berlin, privat« lud das Museum uns im Februar 2014 ein, über unsere bewährte Veranstaltungsform »Ost-West-Salon« bei Bürgerinnen und Bürgern ihre Erinnerungen an die einstige »Insel im roten Meer« wachzurufen. 35 Ost- und Westberliner, Alteingesessene wie Zugezogene, erzählten einander ihre Anekdoten und Geschichten, darunter ehemalige Fluchthelfer, Grenzer, Pastoren und Angehörige aller Parteien.
25 Jahre nach Mauerfall spürte die Veranstaltung den besonderen Lebensbedingungen in der Halbstadt West-Berlin nach, in der immer andere Regeln galten als im Rest der alten Bundesrepublik. Ein Teilnehmer sagte nach der Veranstaltung: »Wir haben die Geschichte noch nicht gemeinsam aufgearbeitet, vielleicht ist der Erzählsalon die beste Form dafür.«
Ältere Patienten mit einer kognitiven Störung, insbesondere einer Alzheimer-Demenz, leiden bekanntlich vor allem unter einer Schwäche des Kurzzeitgedächtnisses, während das Langzeitgedächtnis oft noch gut funktioniert. Aus diesem Grund ist die Biographiearbeit ein bewährtes Mittel, diesen Patienten vertraute Erinnerungen näher zu bringen. Diese »Erinnerungsinseln« in einer fremd gewordenen Welt geben Ihnen oft Momente des Glücks und damit Lebensqualität.
Erinnern ist das tägliche Brot des Alters – auch für Demenzkranke. In Kooperation mit dem Vivantes-Klinikum in Berlin-Friedrichshain veranstaltete Rohnstock Biografien regelmäßig einen Erzählsalon im Konferenzraum der Geriatrie, begleitet von der Stationspsychologin und einer Akkordeon-Spielerin. Die Themen lauteten u.a. »Mein erster Kuss«, »Mein letzter Schultag« und »Meine ersten eigenen vier Wände«.
»Beeindruckend war, dass selbst kognitiv beeinträchtigte Teilnehmer durch die gleichberechtigte, aktive Rolle und die Anerkennung ihres Beitrags eine ganz eigene Würde ausstrahlten. Ein großer und viel zu selten gehobener Schatz«, berichtete Stationspsychologin Stefanie Rößler. Gerade junge Menschen können von den Erinnerungen der alten profitieren. Die Jungen brauchen die Erfahrungen der Alten – und die Alten brauchen Zuhörer.