Michael Freudenberg – »Ich will jetzt digitalisieren«
Das Projekt „Erfahrungen und Potenziale an einen Tisch – Unternehmergespräche im Lausitz Lab“ brachte 2017/2018 Lausitzer Unternehmer in Erzählsalons zusammen. Einer der Erzähler war Michael Freudenberg. Lesen Sie hier seine Geschichte.

Michael Freudenberg nahm im Februar 2017 am Erzählsalon „Wie ich mein Unternehmen gründete” teil.
Ich bin Gründer und Geschäftsführer der Firma neuZIEL.Wir sind eine Digitalagentur aus Senftenberg mit drei Kollegen, unterstützt durch Praktikanten und Werkstudenten. Wir erstellen Webseiten, entwickeln webbasierte Anwendungslösungen und beraten Unternehmen in allen Fragen rund um die Themen Internet und Digitalisierung. Mein Background: Seit 2008 arbeitete ich als Administrator an der Hochschule Lausitz in Cottbus. Nebenher begann ich, eigene Web-Projekte zu entwickeln und damit die Grundlagen für die Selbständigkeit zu legen. 2014 ließ sich beides nicht mehr vereinbaren: Auf der einen Seite die Festanstellung im öffentlichen Dienst, mit all seinen Klischees und Vorurteilen, auf der anderen Seite meine selbstständige Tätigkeit als Webentwickler. Meine Vorstellung von Arbeit ist es, Entwicklungs- und Gestaltungsfreiraum zu haben, offen und agil arbeiten zu können, mit flachen Hierarchien zu wirken und zu kommunizieren. Das bietet eine Hochschule leider nicht.
Ich legte meine Kündigung auf den Tisch und konzentrierte mich fortan auf die Selbstständigkeit. Es war eine der besten Entscheidungen in meinem Leben.
Mit neuZIEL habe ich mich auf das Technische spezialisiert. Unser Team besteht fast ausschließlich aus Programmierern. Dies war anfangs schwierig, stellte sich aber als Vorteil heraus. Mit unseren Mitarbeitern können wir viele technische Themen breit abdecken. Für Projekte arbeiten wir in interdisziplinären Gruppen zusammen und erweitern unser Kernteam je nach Auftrag um Freelancer und Partneragenturen in den Bereichen Design, PR, Fotogra e, Textproduktion, Social Media oder SEO.
Dabei fing alles mit dem Erstellen von Webseiten an. Das ist ein hart umkämpfter Markt, auf dem viel Akquise betrieben werden muss. Immer und immer wieder müssen wir uns potenziellen Kunden vorstellen und sie von unserer Qualität und Leistungsfähigkeit überzeugen. Der Bewerbungsprozess beginnt jedes Mal von vorn. Mit der Zeit entdeckten wir ein zweites, sehr interessantes Segment: die Digitalisierung von Geschäftsabläufen und -prozessen. Wir realisieren für unsere Kunden Webanwendungen, um Arbeitsabläufe zu automatisieren, wir »übersetzen« also ihrer Arbeitsabläufe ins Digitale. So auch für einen regionalen Mineral- öl- und Kohlehändler, der zunächst zu uns kam, um ein Design für seine Webseite technisch umzusetzen. Schnell entwickelte sich zwischen uns ein partnerschaftliches Verhältnis. Das halte ich bei unserer Arbeit für sehr wichtig. Schließlich sind bei jedem Projekt beide Parteien eng miteinander verzahnt und voneinander abhängig.
Während wir seine Webseite aufbauten, bekamen wir Einblick in das interne Geschäft. Dieses ist äußerst preissensibel und, wie viele Geschäftsmodelle heutzutage, durch Innovation und Disruption gefährdet. Bei den großen Internet-Portalen wie »Heizöl24« können sich Kunden über die aktuellen Rohstoffpreise informieren. Sie geben ein, wo sie wohnen und wie viele Liter sie zum Beispiel an Öl benötigen. Daraufhin wird eine Händlerliste mit den jeweiligen Preisen ausgegeben. Über den Preis entscheidet sich, welcher Händler auf der Liste oben steht. Und wer oben steht, bei dem wird am häufigsten gekauft.
Da unser Kunde über eine starke Bindung seiner Kundschaft verfügt, überlegten wir: »Warum soll er sich der Gefahr aussetzen, dass die Kunden den Heizölpreis erst über besagte Preis-Suchmaschinen herausfinden, wo noch dazu Gebühren anfallen. Bieten wir seinen Kunden doch einfach die Möglichkeit einer Preisberechnung, integriert auf seiner Webseite!«
So entwickelten wir einen Preisrechner, mit dessen Hilfe die Kunden fortan eine Öl- oder Kohlebestellung bis zum Schluss durchführen können. Auf diese Weise wird der gesamte Prozess im eigenen Unternehmen gehalten. Die Kunden informieren sich direkt beim Händler und bestellen dann bei ihm. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Händler mit dem Preisrechner neue Kunden gewinnt.
Stück für Stück erweiterten wir das System. Wir schauten uns nun den gesamten internen Prozess genau an und stellten Fragen: Wann und wie bestellt ein Kunde? Wann wird wie geliefert? Wie ist der interne, analoge Ablauf dazu? Wie findet Kundenkommunikation und -bindung statt? So konnten wir den kompletten Prozess vom Kundenkontakt, den Preisanfragen, der Bestellung bis hin zur Lieferung und dem Bestellabschluss digitalisieren.
Das Ergebnis ist durchweg beeindruckend. Unser Auftraggeber spart viel Zeit bei den eigenen Prozessen. Die Bestellabwicklung und Datenverarbeitung konnte erleichtert und der Kundenservice ausgebaut werden. Obendrein spart er inzwischen viel Zeit, indem er seinen Kundenstamm zentralisiert abarbeitet, Daten on Demand pflegt, Bestellungen und Lagerstatistiken auf einen Blick sieht.
Heutzutage ist mit der richtigen IT eine Menge möglich. Das Problem ist, dass Kunden oft gar nicht wissen, was alles umsetzbar ist. Zudem fürchten sie: »Das kostet uns sicher viel Geld!« Wenn jedoch relevante Prozesse digitalisiert werden, rechnet es sich für
ein Unternehmen in mehrfacher Hinsicht. Die neue Software amortisiert sich in der Regel schnell. Außerdem steigern sich Service und Qualität. Und: Das Unternehmen bleibt auch in Zukunft wettbewerbsfähig.
Die Mitarbeiter der Firmen werden von uns bei jedem Auftrag eng eingebunden. Die Zusammenarbeit beginnt mit vielen Treffen, bei denen wir in das Unternehmen »hineinhorchen«, Fragen stellen und uns die Arbeitsprozesse erklären lassen. Für die Mitarbeiter ist es oft schwierig, die in der Firma ablaufenden Prozesse zu überblicken. Wir greifen dann zu analogen Mitteln und visualisieren die Prozesse. Anschließend folgt sehr schnell der Aha-Effekt: »Oh, wow! Das ist ja umständlich!«
Ab diesem Punkt arbeiten wir in vielen kleinen Teilschritten weiter. Ein sehr sensibler und agiler Prozess. Der Chef einer Firma kann zumeist nicht einfach sagen: »So, ich will jetzt digitalisieren!« Das schürt bei den Mitarbeitern schnell die Angst: »Jetzt hat sich der Chef schon wieder etwas Neues ausgedacht! Was passiert, wenn die Software mich in meiner Arbeit nicht nur unterstützt, sondern ablöst? Verliere ich am Ende meinen Job?« Die Mitarbeiter müssen von Beginn an mitgenommen werden.
Es darf zudem nie darum gehen, dass wir jemandem etwas überhelfen, frei nach dem Motto: »Wir haben da eine tolle Software, die verwendet ihr jetzt mal.« Stattdessen geht es darum, für jeden konkreten Arbeitsschritt das genau Passende zu entwickeln. Bei einer Standardsoftware, die viele Unternehmen einsetzen, werden oft nur zehn Prozent der Funktionen benötigt. Andererseits gibt es Bedarfe, die nicht abgedeckt werden. Bei uns geht es darum, die Software den Bedürfnissen der Firma entsprechend zu programmieren. So viel wie nötig, aber so schlank wie möglich. Spezielle Programme und Anwendungen werden neu geschrieben, andere angepasst.
Unsere Kunden sind Profis in dem, was sie tun – wir sind die Profis in Sachen Internet, Web-Anwendungen und digitale Medien. Auch wenn jeder sein spezialisiertes Arbeitsfeld hat, müssen wir uns auf vielen Ebenen verstehen, um zusammenarbeiten zu können. Wenn es dabei ein Ungleichgewicht gibt, passt es auf lange Sicht nicht. Am besten läuft die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die genauso wie wir eine Vision, Innovationsfreude und den Drang nach vorn haben. Wer für die Zukunft gut aufgestellt sein möchte, kommt an der Digitalisierung nicht vorbei.
Wir entwickeln uns täglich weiter und durften schon viele tolle Unternehmer kennenlernen. Das macht unsere Arbeit interessant, wir haben sehr viel Spaß daran. Wir sehen, dass unsere Software unsere Kunden enorm unterstütz.
Und ein Kunde, der am Ende des Tages einfach mal DANKE sagt: Was will man mehr?